Bibelvers der Woche 52/2022

Also war Usia, der König, aussätzig bis an seinen Tod und wohnte in einem besonderen Hause aussätzig; denn er ward verstoßen vom Hause des HErrn. Jotham aber, sein Sohn, stand des Königs Hause vor und richtete das Volk im Lande.
2 Chr 26,21

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Aufstieg und Fall, Aufstieg und Fall…

Morgen ist Heiligabend, und die neue Woche endet mit Silvester. Es ist der letzte Bibelvers des Jahres, Zu dieser Zeit wünscht man sich eine frohe Botschaft. Unser Vers enthält statt dessen eine Warnung, das sieht man gleich. Thema ist Hybris, Vermessenheit. 

Usia war König von Juda, dem Südreich. Sein Vater Amazja war militärisch sehr erfolgreich, bis es ihm einfiel, den König des ungleich stärkeren Nordreichs zum Kampf herauszufordern. Dieser warnte Amazja zunächst noch mit blumigen Worten, nahm aber dann die Herausforderung an. Er vernichtete Amazjas Heer, brach in die Hauptstadt Jerusalem ein und trug alles Gold davon, dessen er habhaft werden konnte. Die schwer geschlagene Bevölkerung lehnte sich auf, setzte Amazja ab und machte seinen sechzehnjährigen Sohn, Usia, zum König. 

Eine neue Runde. Usia verhält sich sehr umsichtig. Nach der schrecklichen Niederlage seines Vaters geht es ihm um Restauration und Integration des Staatsgefüges. Die Bibel berichtet von Befestigung der Grenzen, Neuaufstellung und Aufrüstung der Streitkräfte, dann auch von Brunnenbau, Landwirtschaft, Festungsbau und innovativer Militärtechnik: Usia läßt Kriegsmaschinen an den Türmen Jerusalems einrichten, wie moderne Granatwerfer. Das schreckliche Erlebnis seiner Jugend sollte sich nicht wiederholen. 

Dann aber überhebt sich auch Usia. Das Buch Chronik berichtet, dass der König Gott dem Herrn eigenhändig opfern will, bei einem hohen Fest vermutlich. So wie es Abraham, Isaak und Jakob getan hatten, aber auch König David noch, sein Vorfahr, siehe 2. Sam 6. In der Zeit Usias aber ist es eine schwerwiegende Grenzüberschreitung. Der Opferdienst obliegt einzig den geweihten Priestern. Diese mussten Kohaniter sein, also in direkter Linie von Aaron abstammen.

Die Priester entschließen sich, das Sakrileg zu verhindern. Achtzig Priester, „tüchtige Leute“, stellen sich dem König entgegen. Als dieser das Räucheropfer dennoch vollziehen will, bricht Aussatz aus seiner Stirn heraus. Er wird aus dem Tempel gedrängt und in ein gesonderten Haus verbracht, sein Sohn führte die Regierungsgeschäfte. Ganz wie sein Vater verbringt Usia die letzten Jahre seines Lebens machtlos als Gefangener im eigenen Haus. Die Grenzüberschreitung führt zum Verlust aller sozialer Bezüge. 

Hier wiederholt sich Geschichte, in Teilen, nicht vollständig. Politisch war Usia sehr erfolgreich — von den Fehlern seines Vaters hatte er gelernt, militärische Abenteuer vermied er und setzte auf innere Stärke. Die Hybris bricht sich an anderer Stelle Bahn. Vielleicht hilft ein Vergleich: Stellen Sie sich vor, die mächtige frühere Präsidentin Argentiniens, Cristina Fernández de Kirchner, hätte es unternommen, vor laufenden Kameras eine Messe, den Ostergottesdienst zum Beispiel, selbst zu zelebrieren — ohne Priesterweihe und als Frau. 

Josephus Flavius, der jüdisch-römische Historiker, hat in einer dramatischen Erzählung die Geschichte aus der Chronik mit dem Bericht über ein verheerendes Erdbeben verbunden, das sich während der Regentschaft Usias zutrug. Dazu gibt es jüdische Quellen. Wenn Sie ein wenig Zeit haben — hier ist eine deutsche Übersetzung aus einem Artikel von 1870. Sie erinnert an das schreckliche Ende des Märchens vom Fischer und seiner Frau, die sich schon zum Papst gemacht hat und nun Gott werden will: 

Aus Rahmer, M. (1870). Das Erdbeben in den Tagen Usia’s, S. 243.

Entnommen aus Rahmer, M. (1870). Das Erdbeben in den Tagen Usia’s. Monatsschrift für Geschichte und Wissenschaft des Judentums, 19 (N. F. 2)(6), 241–252., bereitgestellt von JSTOR. Stable JSTOR link: http://www.jstor.org/stable/44383942. Reproduction of page 243 under the principles of fair use under section 107 of the United States Copyright Act.

Hybris ist ein Dauerthema der Bibel. Immer wieder fordert sie uns auf, die Grenzen zu sehen und in dem uns zugewiesenen Limit zu bleiben. Hybris zerstört Menschen dort, wo sie sich am stärksten wähnen und deshalb gänzlich unvorbereitet sind. Vielleicht ist die schockierende Geschichte mit ihrer Warnung daher in der Tat ein geeigneter Abschluss für das Jahr. Nicht immer sind wichtige Botschaften ja ’nice‘. Was mich selbst betrifft, denke ich über die Betrachtung der letzten Woche nach, wo ich eine Künstliche Intelligenz zum Lob Gottes aufgerufen habe — vielleicht ist das eine Grenzüberschreitung. Unser Vers jedenfalls sagt, dass es nicht nur darauf ankommt, DASS etwas geschieht, sondern auch darauf, WER es tut.

Ich wünsche uns ein frohes Weihnachtsfest und ein gesegnetes neues Jahr, in dem wir das tun, was unsere Aufgabe ist und das vermeiden, zu dem wir nicht berufen sind. 
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 51/2022

Kommt herzu, lasst uns dem HERRN frohlocken und jauchzen dem Hort unsres Heils!
Ps 95,1

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

…dann werden die Steine schreien!

Damit es nicht in Vergessenheit gerät, bevor ich fortsetze: Was für ein schöner Vers zum vierten Advent! Ich halte fest, dass der Bibelvers der Woche per Zufallsgenerator gezogen wird, auch im Advent! 

Geistige Tätigkeit ist ohne Computer bald undenkbar. Angeregt durch einen Artikel der FAZ habe ich mit einem Chatbot namens ChatGPT gespielt. Es handelt sich um eine Künstliche Intelligenz, die vorgefundene sprachliche Strukturen und ihre gegenseitigen Bezüge auswertet und fortschreibt. Das System ist in der Erprobungsphase und kann von jedermann kostenfrei benutzt werden. Auch auf Deutsch. Hier ist der Link

Nach einigen Experimenten, die meine Achtung schnell steigen ließen, wollte ich sehen, wie ChatGPT mit dem Bibelvers der Woche zurechtkommt. Das System weist Fehler auf. Manchmal bricht der Output ab, manchmal verheddert es sich. Die Ergebnisse müssen redigiert werden, sie enthalten Redundanzen und lästige Wortwiederholungen. Ausserdem folgt der Bibelvers der Woche einer Form mit wiederkehrenden Elementen, die der Algorithmus nicht kennen kann. 

Aber in fünf Minuten Arbeit, bei der ich so gut wie nichts denken muss, kann ich aus dem Material, den Antworten von ChatGPT auf drei Fragen, die folgende Betrachtung erstellen: 

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Wir sagen Euch an den vierten Advent! Was für ein Vers! Psalm 95 ist ein Lobpsalm, der dazu aufruft, Gott zu preisen und ihm zu danken. Der Psalm beginnt mit dem Aufruf „Kommt, lasst uns jubeln vor dem Herrn, lasst uns auf den Felsen unseres Heils frohlocken“ und geht dann auf die Gründe ein, warum Gott gepriesen werden sollte: seine Treue, seine Macht und sein Erbarmen.

Unser Vers, der Beginn des Psalms, ist ein Aufruf zum Lob und zur Freude im Herrn. Der Psalmist ermutigt die Menschen, zum Herrn zu kommen und ihm zu danken für seine Gnade und Barmherzigkeit. Der Herr ist unser Hort, unser Zufluchtsort, in dem wir Sicherheit und Schutz finden. Er ist der Grund für unsere Freude und unser Jauchzen. Durch ihn haben wir das Heil erlangt und können in seiner Gegenwart Frieden und Freude erfahren.

Der Psalmist ruft die Menschen auf, sich dem Herrn zu nähern und ihm mit Freude und Dankbarkeit zu huldigen. Durch ihn haben wir das Heil erlangt, und er ist unser Zufluchtsort in Zeiten der Not. Der Herr ist der Grund für unsere Freude und unser Jauchzen, und in seiner Gegenwart finden wir Frieden und Erfüllung. Der unbekannte Verfasser ermutigt die Menschen, ihr Leben dem Herrn zu widmen und ihm zu dienen. Durch unsere Hingabe an ihn können wir seine Gegenwart erfahren und von seiner Gnade profitieren. Wir sollen dem Herrn vertrauen und ihm unser ganzes Leben anvertrauen, damit er uns führen und leiten kann.

Es lohnt, auf die Wortwahl zu schauen. Der Vers charakterisiert Gott als „Hort unsres Heils“. Dieser Ausdruck zeigt, dass der Herr für uns der Quell des Heils ist. Durch ihn haben wir die Erlösung von unseren Sünden und von allem Bösen erlangt. Wir können in seinem Schutz und seiner Gegenwart Frieden und Freude erfahren. Deshalb ist es wichtig, dass wir uns dem Herrn zuwenden und ihm danken für das Heil, das er uns geschenkt hat.

Und „Jauchzen“ sollen wir, sagt der Vers. Das ist eine Ausdrucksform der Freude und des Dankes, die sich in lautem Rufen und Singen äußert. Wenn wir dem Herrn jauchzen, zeigen wir ihm unsere Dankbarkeit und unsere Freude über das Heil, das er uns geschenkt hat. Jauchzen ist auch ein Ausdruck unseres Vertrauens in den Herrn und unseres Glaubens an seine Liebe und Barmherzigkeit.

Noch einmal: Was für ein Vers für den vierten Advent! Ich wünsche uns Gottes reichen Segen für die Woche, die vor uns liegt, auch und weil sie uns so dunkel und kalt ist. 
Ulf von Kalckreuth

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Hätten Sie’s erkannt? Man sieht sicherlich, dass nicht ich diesen Text geschrieben habe, aber hätten Sie eine KI vermutet? O-Ton von Kalckreuth sind nur die ersten und die letzten Sätze, die Einleitung zum vierten Abschnitt sowie einige Einschübe. Mir fehlt einiges, ich weiss, dass ich einen anderen Text geschrieben hätte, aber wer sonst kann es wissen? Der Algorithmus reproduziert und schreibt das fort, was er im Netz und den anderen Textquellen findet, an denen er gelernt hat. Wir alle können uns also bald auf das Schreiben wirklich kreativer und wichtiger Texte konzentrieren — das Ende des Schwallens ist nahe… Aber vielleicht schreiben wir bald gar nichts mehr. Wir müssten es ja erst einmal besser können. 

Hier also ein Aufruf: Nutzen Sie die Kommentarfunktion und schreiben Sie, was Ihnen an der Betrachtung von ChatGPT fehlt! Ich hoffe, es gibt ein Echo, sonst wüsste ich, wie ich viel Arbeit sparen könnte…

Ein zweiter Versuch. Ich habe das ChatGPT gebeten, einen Songtext zu Psalm 95 zu schreiben. Hier ist das Ergebnis:

Verse 1:
Come, let us sing to the Lord,
With voices raised in praise,
For he is great and worthy of all our
Love and adoration.

Chorus:
The Lord is our rock and our salvation,
A refuge in times of trouble,
In him we trust and in him we find
The strength to carry on.

Verse 2:
Let us bow down at his feet,
And give him all our praise,
For he is the King of all creation,
And his love will never fade away.

Chorus:
The Lord is our rock and our salvation,
A refuge in times of trouble,
In him we trust and in him we find
The strength to carry on.

Bridge:
His faithfulness endures forever,
His mercy is new every morning,
We will always trust in him,
For he is our rock and our salvation.

Chorus:
The Lord is our rock and our salvation,
A refuge in times of trouble,
In him we trust and in him we find
The strength to carry on

Das schwingt schon ganz gut, finde ich. Ich mag den Chorus besonders. Reim und Metrum fehlen, und der Versuch, auch dies noch von ChatGPT zu bekommen, führt zu unbrauchbaren Ergebnissen. Den zweiten, düsteren Teil des Psalms hat die Maschine ganz ausgelassen. Das habe ich moniert, und sie lieferte mir daraufhin eine dritte Strophe sowie eine zweite, angepasste Bridge. Dabei aber wurde der Text zu lang. Man müsste das Material redigieren und natürlich an eine Melodie anpassen — aber ja, mit ein wenig Einsatz und ein paar weiteren Versuchen mache ich daraus einen funktionierenden Songtext. 

Natürlich hat ChatGPT davon profitiert, dass Psalm 95 bereits als Lied angelegt ist, aber diesen „Vorteil“ hat jeder Texter von Lobpreissongs — ich selbst habe schon ein paar Psalmvertonungen geschrieben.

Jetzt habe ich eine Frage:, und sie ist ernst gemeint: Kann es Lobpreis sein, wenn es von einer Maschine kommt? Erstaunlicherweise gibt die Bibel eine Antwort. Psalm 8 sagt: „Aus dem Munde der jungen Kinder und Säuglinge hast du eine Macht zugerichtet um deiner Feinde willen“. Und Jesus sagt (Luk 19,49): „Ich sage euch: wenn diese (die Jünger, d.V.) schweigen, dann werden die Steine schreien.“

Hoffentlich werden sie es nicht tun müssen. Können Sie sich vorstellen, wie künstliche Intelligenzen endlos das weiterschreiben, was wir einstens angelegt haben, aber nicht mehr selbst zu sagen willens oder imstande sind? Frei nach Psalm 19: Eine KI sagt’s der anderen und ein Algorithmus ruft’s dem anderen zu…

In him we trust and in him we find
The strength to carry on!

Amen. Gehen wir mit Gott durch diese Woche! 
Ulf von Kalckreuth


Nachtrag: Auf die oben gestellte Frage gibt die Bibel noch weitere Antworten. Der Bibelvers der Folgewoche weist in krasser Weise darauf hin , dass es nicht nur darauf ankommt, DASS etwas geschieht, sondern auch darauf, WER es tut.

Bibelvers der Woche 50/2022

Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahinkommt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und wachsend, dass sie gibt Samen, zu säen, und Brot, zu essen:…
Jes 55,10

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Advent

Am Sonntag beginnt die dritte Adventswoche. Advent — das Kommen des Herrn, der Weg, der Ihn zu uns führt und uns zu Ihm. Als Jesus einen schrecklichen Foltertod starb, waren seine Jünger verzweifelt — ein solches Ende des Messias hatten sie nicht erwartet. In den schon damals sehr alten Versen, in denen Jesaja vom Gottesknecht singt, der sterben muss und mit seinem Opfer das Volk erlöst, fanden sie die Blaupause, die Erklärung für das Unerklärliche. Der gezogene Vers gibt ein Bild, ein Gleichnis für die lebensspendende Kraft von Gottes Wort. Hier ist der unmittelbare Kontext, zitiert nach der Lutherbibel 1984:

Suchet den HERRN, solange er zu finden ist; ruft ihn an, solange er nahe ist. Der Gottlose lasse von seinem Wege und der Übeltäter von seinen Gedanken und bekehre sich zum HERRN, so wird er sich seiner erbarmen, und zu unserm Gott, denn bei ihm ist viel Vergebung. Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR, sondern so viel der Himmel höher ist als die Erde, so sind auch meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken. Denn gleichwie der Regen und Schnee vom Himmel fällt und nicht wieder dahin zurückkehrt, sondern feuchtet die Erde und macht sie fruchtbar und lässt wachsen, dass sie gibt Samen zu säen und Brot zu essen, so soll das Wort, das aus meinem Munde geht, auch sein: Es wird nicht wieder leer zu mir zurückkommen, sondern wird tun, was mir gefällt, und ihm wird gelingen, wozu ich es sende. Denn ihr sollt in Freuden ausziehen und im Frieden geleitet werden. Berge und Hügel sollen vor euch her frohlocken mit Jauchzen und alle Bäume auf dem Felde in die Hände klatschen. Es sollen Zypressen statt Dornen wachsen und Myrten statt Nesseln. Und dem HERRN soll es zum Ruhm geschehen und zum ewigen Zeichen, das nicht vergehen wird.
Jes 55,6-11

Ich wünsche uns allen eine gesegnete dritte Adventswoche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 49/2022

Es werden nicht alle, die zu mir sagen: Herr, Herr! ins Himmelreich kommen, sondern die den Willen tun meines Vaters im Himmel.
Mat 7,21

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

An den Früchten erkennen

Worauf kommt es an? 

Es gibt im protestantischen Christentum eine alte und starke Strömung, die sich gegen die sogenannte „Werkgerechtigkeit“ wendet. Damit ist der Versuch gemeint, sich des Heils durch sichtbare, gottgefällige Taten zu versichern. Es komme nämlich im Grunde nur auf den Glauben an, er verbinde den Menschen mit Gott, verwandele ihn  und führe ihn zum Heil. Taten seien dann Ausfluss einer gelungenen Gottesbeziehung, Symptom sozusagen, aber ohne eigene Bedeutung. Nur der Glaube, nur die Gnade, nur die Schrift, sagt Luther…! 

Wie ist das gemeint? Jesus jedenfalls sagt in diesem Textabschnitt, dass es nicht getan ist mit Bekenntnissen, inneren Einstellungen und religiösen Gefühlen, selbst solchen intensivster Art, die zu Wundern befähigen. Wenn sie nicht mit sichtbaren Früchten einhergehen, sind sie am Ende irrelevant. Dies ist das Bild, das Jesus hier gebraucht: einen Baum erkennt man an seinen Früchten. 

Welcher Art Früchte es sind, sagt Jesus nicht. Ich kann mir vorstellen, dass es dabei durchaus auch um die innere Welt geht, um das Maß, in dem jemand mit sich, mit Gott und den Mitmenschen in Frieden lebt. Aber auch darum, ob jemand die eigenen Gaben auszuschöpfen vermag, zur Ehre Gottes und dem Wohl seiner Mitmenschen. Das Gleichnis von den anvertrauten Talenten ist ein anderes wichtiges Bild von Jesus. 

Im Vers spricht Jesus sehr kondensiert und konzentriert davon, dass es im Ergebnis darauf ankommt, den Willen Gottes zu tun. Vielleicht nicht als ersten Schritt zum Heil, aber wohl als wichtigsten Begleiter auf dem Weg dorthin.

Aber was will Gott von mir? Ich weiss es nicht. Wow! Wie wäre mein Leben, wenn ich es wüsste? Um das herauszufinden, sind sie in der Tat unabdingbar: Glaube, Gnade und die Schrift…!  

Ich wünsche uns allen Gottes besonderen Segen in der zweiten Adventswoche!
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 48/2022

Und stärkten also das Königreich Juda und befestigten Rehabeam, den Sohn Salomos, drei Jahre lang; denn sie wandelten in den Wegen Davids und Salomos drei Jahre.
2 Chr 11,17

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Gottesfurcht als Staatskunst?

Drei Jahre lang war alles gut!

Immer wenn sich die Könige Judas abwenden vom Herrn, geht es bergab mit ihnen und dem Reich. Zuwendung und Treue hingegen werden belohnt, meist unmittelbar. Das ist die Kernbotschaft des zweiten Buchs der Chronik. Der Darstellung nach ist der Zusammenhang fast naturgesetzlich, Er erklärt die große Katastrophe in der jüdischen Geschichte, die Vernichtung des Reichs Juda, der Hauptstadt Jerusalem und des Tempels, die Wegführung der Bevölkerung.

Schon ganz zu Beginn der Geschichte des Südreichs scheint der Zusammenhang mit Händen zu greifen. Da folgt ein König drei Jahre lang dem Herrn und ist erfolgreich. Er verlässt die Wege des Herrn und schnell gerät das Land an den Rand der Katastrophe. 

Rehabeam hatte einen denkbar schlechten Start. Nach dem Tod Salomos war er designierter Nachfolger auf dem Thron des israelitischen Gesamtreichs. Die Nordstämme baten — recht höflich, wie ich finde — um eine Verminderung der Last, die nur sie allein tragen mussten. Das große Juda hatte unter Salomo keine Abgaben zu leisten, siehe den BdW 43/2022. Rehabeam, schlecht beraten von jugendlichen Altersgenossen, antwortete harsch und unnachgiebig. Zehn Stämme verweigerten daraufhin die Gefolgschaft. Rehabeam blieb König nur über Juda. Im weitaus größeren Nordteil des salomonischen Reichs etablierte sich Jerobeam als König. Von da an herrschte ständig Krieg. 

Und doch läuft es zunächst gut. Der König des Nordreichs nämlich führte ausländische Kulte ein und vertrieb die Leviten aus seinem Land, die Priester des Herrn. Sie gingen nach Jerusalem. Dieser Migrationswelle schlossen sich andere Teile der Elite des Nordreichs an, die mit den neuen Götzen und dem veränderten Wind im Land nichts anfangen konnten. Der Zustrom half dem jungen Südreich bei der nationalen Konsolidierung. Drei Jahre lang. Dann, so wird weiter berichtet, wendet sich auch Rehabeam neuen Einflüssen zu, und prompt kommt mit Pharao Schischeck eine schreckliche Bedrohung aus Ägypten. Rehabeam bereut und demütigt sich vor Gott. Die Vernichtung der Hauptstadt kann abgewendet werden. 

Soweit der Vers und seine Botschaft. Ist es so? Meiner eigenen Lebenserfahrung entspricht es nicht: Abwendung von Gott bedeutet in der Welt, die ich kenne, durchaus kein sofortiges Scheitern, ebensowenig, wie die Hinwendung zu Gott Erfolg und Reichtum programmiert. Die Psalmen wissen das und beklagen vielfach, dass es der Gottlose sei, der auf der reich gedeckten Seite des Tischs sitzt, vorübergehend jedenfalls. Wenn der Zusammenhang so einfach und mechanisch wäre — wie könnte ein machtfokussierter König von Juda oder ein statusorientierter Manager unserer Zeit je die Wege des Herrn mißachten? Das hätte sich in interessierten Kreisen herumgesprochen, und die Zehn Gebote und ausgewählte Psalmen stünden in den Eingangskapiteln jedes Karriereleitfadens…! 

Nein, so ist es nicht. Es ist anders, und wirklich ausbuchstabieren kann ich es hier nicht. Hinwendung zu Gott bedeutet die Bereitschaft, Sinn zu erkennen und dankbar zu sein. Das Leben als Geschenk zu begreifen befähigt uns, die in den verworrenen Pfaden dieses Lebens verborgenen Chancen zu sehen. Dazu bekommen wir den Mut, diese Chancen zu ergreifen und auch Stehvermögen, wenn es zunächst nicht klappt. Das ist eine Erfahrung, die ich tatsächlich gemacht habe. Gebet hilft, zu sehen, worauf es ankommt, und richtet unsere Aufmerksamkeit auf Wunder oder ihre Keime — auf Außerordentliches also, das mit den Regeln, die wir zu kennen meinen, nichts zu tun hat. Das macht uns stark, und auf lange Sicht auch erfolgreich. 

Aber es geschieht dies in einer Weise, die wir nicht kontrollieren. Es ist das Gegenteil einer abrufbaren Mechanik — es ist offen. Unverfügbar.

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche auf dem unbekannten Weg mit Gott,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 47/2022

Die Kinder der Knechte Salomos waren: die Kinder Sotai, die Kinder Sophereth, die Kinder Perida,…
Neh 7,57

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Nachfahren versklavter Kriegsgefangener

Die judäische Gesellschaft konstituiert sich nach der Zeit des erzwungenen Exils in Babylon neu, und auch ein Tempel soll gebaut werden. Wer soll dazugehören? Wer kann Dienst im Tempel tun? Siehe den BdW 20/2020 zu einer Parallelstelle in Esra.

Im Alten Testament sind solche Fragen fast immer wie folgt geregelt: du gehörst dazu, wenn deine Eltern dazugehören. So definierte sich Volkszugehörigkeit, und so bestimmt die Halacha noch heute, ob jemand Jude ist oder nicht. Und auch hier: die Angehörigen der drei genannten Sippen dürfen im Tempel Dienst tun, weil ihre Vorfahren es auch schon getan haben, sie sind die „Kinder der Knechte Salomons“. 

Hier wird es spannend: Wenn in der Bibel von „Knechten“ die Rede ist, kann man „Sklaven“ setzen — die Lutherbibel 1984 tut dies im Unterschied zur Übersetzung 2017 konsequent. Salomo setzte für den Tempelbau in umfangreichem Maße ausländische Zwangsarbeiter ein, israelitische Volksangehörige waren von Zwangsarbeit ausdrücklich ausgenommen, siehe 1. Kö 9,20-22. Einige von ihnen wurden dauerhaft für den Tempeldienst rekrutiert — nicht als Sänger oder Priester, sondern wohl als Arbeiter. Ursprünglich gehörten sie gerade nicht dazu!

Zwischen der goldenen Zeit Salomos und der schwierigen Rückkehr der Judäer aus dem babylonischen Exil liegen fast sechshundert Jahre. Die „Knechte Salomos“ waren längst durch Beschneidung zum Judentum übergetreten. Als nun gefragt wird, wer unter den Zurückkgekehrten für den Tempeldienst geeignet ist, bestehen sie die Prüfung; man weiss, wer sie sind. Andere, deren Vorfahren vermutlich Priester waren, können ihre Credentials weniger gut belegen und bleiben aussen vor, siehe wieder BdW 20/2020

Nachfahren versklavter Kriegsgefangener… davon gibt es vielleicht sehr viele auf der Welt. Wie fühlt es sich an, wenn diese Vergangenheit noch nach Jahrhunderten den Platz in der Gesellschaft definiert? 

Es geht um Identität. Identität gibt es nicht umsonst. Die Nachfahren der versklavten Kriegsgegner wissen um ihre Vergangenheit und ihr soziales Umfeld auch. Dasjenige, was uns heute als gefestigte Diskriminierung erschiene, dient hier zum Erweis der Zugehörigkeit. Das hat etwas Folgerichtiges: wie können wir dazugehören ohne Identität? Und setzt uns Identität nicht immer auch ab von anderen? Als Jesus vom Himmelreich spricht, sagt er, dass die letzten die ersten sein werden. Hier geht es „nur“ um den Tempeldienst, aber vielleicht passt das Jesuswort trotzdem.

Food for thought…

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 46/2022

Und er predigte ihnen lange durch Gleichnisse; und in seiner Predigt sprach er zu ihnen:
Mk 4,2

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Signalkette

Ja, was sprach er zu ihnen? Am See haben sich Menschen um Jesus versammelt um es zu verstehen. Viele Menschen, so viele, dass er in ein Boot steigen muß, um von dort aus Richtung Ufer zu predigen. Das ist eine kluge Lösung für ein großes Problem: Es gab kein Mikrophon und keinen Verstärker, und nur derjenige konnte etwas hören, der nahe genug war — das aber wird schnell gefährlich für den, der in der Mitte steht. Rednern der damaligen Zeit muß das eine gängige Erfahrung gewesen sein.  

Unser Vers leitet ein Gleichnis ein. Man kann ihn auch für sich stehend lesen. Dann steht dort, dass Jesus zu den Menschen lange durch Gleichnisse predigte und dabei zu ihnen sprach. 

Wie, wenn ich damals dabei gewesen wäre? In Rufweite des Meisters? Was wäre bei mir angekommen?

Christen ist Jesus Christus fleischgewordenes Wort Gottes, wie den Juden die Thorah. Gott spricht zu den Menschen vermittels eines Menschen, damit sie es verstehen können. Und jener Mensch spricht durch Gleichnisse — die Wahrheit selbst ist unerkennbar. Mit seinen Gleichnissen projiziert Jesus sie auf eine Ebene, die uns Menschen zugänglich ist. 

Aber das ist noch nicht das Ende. Es muß Hörer geben. Jemand muß zur rechten Zeit am richtigen Ort sein. Er muß das Gesagte akustisch aufnehmen — schwer genug in dieser Situation — und in seinem Geist die Teile richtig zusammensetzen. Das ist noch schwerer: den Jüngern selbst gelingt es nicht. Und schließlich muss die Botschaft in dem wirksam werden, der die Botschaft hört. Das ist am schwersten, davon genau handelt das Gleichnis. Preisfrage: Wissen Sie, welches Gleichnis Jesus erzählt? 

Wenn ich damals dort gewesen wäre, hätte ich wohl nichts mitbekommen, oder es wäre nichts hängen geblieben, oder schnell hätte ich Wichtigeres zu tun gehabt…

Paulus spricht davon, dass der Glaube selbst Gnade ist. Und dass es die Geistkraft ist, die den Menschen wandelt. Das war seine persönliche Erfahrung. Ja, so muß es sein!

Ich wünsche uns allen eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 45/2022

…dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an der Tür am Hause inwendig, im Allerheiligsten, und an der Tür des Hauses des Tempels golden.
1 Kö 7,50

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Fertig!

Wieder König Salomo… Diesmal sehen wir ihn beim Bau des Tempels. Der Bau ist abgeschlossen, auch der Innenausbau, nun werden als letztes die Kultgeräte bereitgestellt. Im Zusammenhang lautet unser Vers wie folgt:

Auch ließ Salomo alles Gerät machen, das zum Hause des HERRN gehörte: den goldenen Altar, den goldenen Tisch, auf dem die Schaubrote liegen, fünf Leuchter zur rechten Hand und fünf Leuchter zur linken vor dem Chorraum von lauterem Gold mit goldenen Blumen, Lampen und Lichtscheren; dazu Schalen, Messer, Becken, Löffel und Pfannen von lauterem Gold. Auch waren die Angeln an den Türen zum Allerheiligsten innen im Hause und an den Türen der Tempelhalle von Gold. So wurde das ganze Werk vollendet, das der König Salomo gemacht hatte am Hause des HERRN. 
(Lutherbibel 1984, 1.Kö 7, 48-51a)

Vor gut zwei Jahren hatten wir aufeinander folgend drei Verse zu Bau des Tempels, BdW 25/2020, BdW 26/2020 und BdW 27/2020, und schließlich noch einen zu seiner Zerstörung, BdW 28/2020 — alle zufällig gezogen. Im Vers dieser Woche erleben wir den präzisen Moment der Fertigstellung dieser Stätte, wo Gott und Mensch sich begegnen sollen — das göttliche Interface! Die Einweihung steht unmittelbar bevor. Was dieser Tempel für das Volk Gottes zur Zeit Salomos war, wurde später Jesus den Christen und den Juden die Thora. Man spürt, wie sehr der unbekannte Autor ihn liebt, jedes der genannten Objekte wird geistig gestreichelt. 

Salomos Arbeit ist getan. DerTempel steht weithin sichtbar auf einem Berg, Wo kann ich an einem Tempel bauen? Und wird jemals etwas fertig?  

Ich wünsche uns eine gesegnete Woche,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche 44/2022

Und will das Recht gehen lassen über Moab; und sie sollen erfahren, dass ich der HErr bin.
Hes 25,11

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Vom Verurteilen

Ein „Fremdvölkerspruch“ von Hesekiel. Moab, Edom und eine Reihe anderer Völker haben zum Untergang Judas beigetragen, und sie sollen, so wünscht und prophezeit es Hesekiel, ihre Strafe erhalten. Auf seiner Reise ist der ‚Bibelvers der Woche‘ schon einige Male auf Sprüche zu anderen Völkern gestoßen. Die Tonlage kann sehr unterschiedlich sein. Mal weint der Prophet über das Unglück, das er sieht, siehe die BdW 4/2018 und 44/2018 zu Moab, mal sieht er Israel gleichrangig im Verbund mit den großen Völkern, siehe BdW 17/2021 zu Israel, Assur und Ägypten, und mal steht Vernichtung im Vordergrund, wie in BdW 13/2018 und auch in diesem Vers.

Ich bin in einem interreligiösen Chor, genannt ‚Tehillim‘, nach dem hebräischen Wort für ‚Psalmen‘. Wir singen zur Zeit den Psalm 137, in unterschiedlichen Vertonungen, hebräisch, deutsch, lateinisch, englisch. Er beginnt mit den bekannten Worten „An den Wassern von Babel saßen wir und weinten…“ Der Psalm kreist um die Erfahrung der Hilflosigkeit im erzwungenen Exil, und die Bedeutung des Festhaltens an der eigenen religiösen Identität. Und dann, am Ende des Psalms, kommen diese Worte: 

HERR, vergiss den Söhnen Edom nicht, was sie sagten am Tage Jerusalems:
»Reißt nieder, reißt nieder bis auf den Grund!«
Tochter Babel, du Verwüsterin
wohl dem, der dir vergilt, was du uns angetan hast
Wohl dem, der deine jungen Kinder nimmt
und sie am Felsen zerschmettert!

Wie singt man das eigentlich? Es ist eine Vernichtungsphantasie, hier spricht der blanke Hass gegen die Eroberer, die den Exilanten ihre Lebenswelt nehmen, um ihnen die eigene aufzudrücken. 

Die Bibel ist nicht nur Wort Gottes. Sie ist Transkript eines Gesprächs Gottes mit den Menschen — vielen Menschen, verschiedenen Menschen. Menschen in sehr unterschiedlichen Lebenslagen, über vielen Hunderten von Jahren. Manche können verzeihen, andere nicht. In der Sprache der Musik ist das, was da gen Himmel steigt, nicht ein volltönender Akkord, sondern ein Cluster. Wenn ich Psalm 137 immer wieder lese und auch singe, verstehe ich den Menschen, der ihn geschrieben hat. Auch meine Familie wurde vertrieben, auch wir haben alles verloren. Seine Phantasie aber muß ich für mich nicht übernehmen

Gott will Recht über Moab sprechen, sagt Hesekiel. Es ist klar, welches Urteil der Prophet erwartet — immerhin aber bleibt offen, ob Gott nicht vielleicht zu einem ganz anderen Ergebnis kommt. Wer nicht selbst verurteilt werden will, sollte Verurteilungen anderer nicht herbeisehnen. Es gibt einen anderen Psalm, er singt die Worte: „So du willst, HERR, Sünde zurechnen — Herr, wer wird bestehen?“

Ich wünsche uns allen eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

P.S. : In wenigen Wochen, am 23. November um 19:30 Uhr, findet im jüdischen Gemeindezentrum von Frankfurt ein Konzert von „Tehillim“ zu Psalm 137 statt — hier ein Link.

Bibelvers der Woche 43/2022

Baana, der Sohn Ahiluds, zu Thaanach und zu Megiddo und über ganz Beth-Sean, welches liegt neben Zarthan unter Jesreel, von Beth-Sean bis an Abel-Mehola, bis jenseit Jokmeams.
1 Kö 4,12

Hier ist ein Link für den Kontext des Verses, zur Lutherbibel 1984.

Salomon und Liz Truss

Wie vor zwei Wochen ein Vers aus dem Beginn des ersten Königsbuchs. Salomo richtet seine Herrschaft auf. Hier geht es um einen wichtigen Aspekt — Steuern. Der gezogene Abschnitt benennt Verantwortliche für die Ausstattung der königlichen Hofhaltung für jeweils einen Monat. In 1 Kö 5,1-3 wird aufgelistet, welche Last es bedeutete, das Benötigte in Naturalien heranzuschaffen.

Es geht um die Wurst — wer muß die Rechnung zahlen? Als Volkswirt würde ich erwarten, dass die einmal eingerichtete fiskalische Verfassung darüber hinaus für weitere Zweck genutzt wurde, Finanzierung von Kriegen, öffentlichen Bauwerken, Repräsentation. Der Abschnitt nennt die Namen der Fronvögte und zählt die dahinter stehenden Gebiete auf: zwölf Steuerbezirke also. Wir können sie in einer Karte betrachten. Hier ist ein Link, der im Vers genannte Distrikt trägt die Nummer 5. Und dann fällt etwas Wichtiges auf: Salomos eigenes Stammesgebiet, Juda, ist völlig ausgespart. Obwohl Jerusalem direkt an Juda angrenzt, muß der Stamm Davids und Salomos nichts zur Finanzierung der Hofhaltung beitragen! 

Ist das möglich? Das Buch der Könige wurde nach dem Exil verfasst, also rund fünfhundert Jahre nach Salomo, auf der Grundlage älterer Schriften. Es wäre also denkbar, dass die salomonischen Steuerbezirke in Vergessenheit geraten waren und die Verfasser sich ersatzweise an den Steuerbezirken des Nordreichs (ohne Juda also) orientiert haben. 

Andererseits — wenn Salomo aber wirklich so besteuert hätte, so wäre dies die Steuerverfassung eines Imperiums, mit Juda und Jerusalem als Zentrum und den nördlichen Landesteilen als tributpflichtigen, abhängigen Gebieten. Während ich dies schreibe, sitze ich in einem Flugzeug nach Rom. Es setzt gerade zur Landung an in der ewigen Stadt. Bis zum Untergang des römischen Reichs mussten die Einwohner dieser Stadt keine Steuern zahlen… 

Senatus Populusque Romanus — Kanaldeckel in Rom

Nach dem Tod Salomos können sich die zehn Stämme des Nordens nicht mit der Herrschaft seines Sohns Rehabeam abfinden, siehe 1 Kö 12. In der Auseinandersetzung um die Nachfolge halten Vetreter der zehn Stämme dem Sohn Salomos entgegen: Dein Vater hat unser Joch zu hart gemacht. Mache du nun den harten Dienst und das schwere Joch leichter, das er uns aufgelegt hat, so wollen wir dir untertan sein. (1 Kö 12,4). Rehabeam besteht auf dem Status Quo, und die zehn Stämme schaffen sich einen eigenen Staat. Rehabeam kann nichts dagegen tun.

Wenn Salomo tatsächlich die ganze Steuerlast dem Norden aufgebürdet hätte, wäre das Auseinanderbrechen des Reichs mehr als verständlich. Sollte der für seine Weisheit gerühmte Salomo gleich zu Beginn seiner Herrschaft einen solchen Fehler begangen haben? Liz Truss fällt mir ein, die Premierministerin von Großbritannien, und ihre Steuerpolitik. Ihre Herrschaft währte nur sechs Wochen…

Eine schöne Nachricht zum Schluß: Der „Bibelvers der Woche“ wurde von der Frankfurter Buchmesse als relevantes Medium eingestuft, und ich kann, nun als akkreditierter Blogger, die Messe kostenfrei besuchen. Mein neues Leben als Influencer hat begonnen!

Uns allen wünsche ich eine Woche in Gottes Segen,
Ulf von Kalckreuth

Bibelvers der Woche — akkreditierter Blog